Geschichte der B! Stiria

Am 8.5.1861 fanden sich fünf Juristen im „Weißen Ochsen“ in Graz zusammen und gründeten die Stiria. Zweck der jungen Verbindung war die „Hebung des Studentengeistes durch gegenseitige Anregung“. Die Satzung „Instituta at-que leges“ zeigt, dass die Gesichtspunkte Geselligkeit, Freundschaft und gemeinsame Weiterbildung vorrangig waren. 

Der erste Wahlspruch der Stiria lautete: „Ferrum fero, ferro ferio“ – das Eisen trag ich, mit dem Eisen schlag’ ich. Die Wehrhaftigkeit kommt hier deutlich zum Ausdruck. Die damaligen politischen Verhältnisse lassen diesen Wahlspruch und die erste weltanschauliche Grundeinstellung der ersten Stiren leicht verstehen. 

In der Revolution 1848 konnte der habsburger Kaiser mit der Armee gerade noch einmal den Zerfall des Vielvölkerstaates in seine nationalen Teile vermeiden. Die grundlegenden Ideale der Freiheit, der Meinungsäußerung, der Vereins- und Versammlungsfreiheit und der Entfaltung der nationalen Einheiten waren aber nicht mehr zu unterdrücken.

So war auch das politische Streben der ersten Stiren die Durchsetzung von Bürgerfreiheiten gegen die Obrigkeit, die Einheit der Nation und die Verteidigung der Grazer Alma mater als deutsche Universität.

Diese politischen Ziele unterschieden die Burschenschaft Stiria deutlich von anderen Studentenverbindungen, die um diese Zeit gegründet wurden. 
Mit dem von 1867 an geltenden Wahlspruch: „Freiheit, Ehre, Vaterland“ unterstrichen die Stiren ihre Verpflichtung für ein einiges, freies, demokratisches Deutschland zu wirken.

Die der Burschenschaft nachgesagte konservative Haltung war bei der Burschenschaft Stiria immer nur der Ehrenstandpunkt, die politische Einstellung betrachtete sie stets als äußerst fortschrittlich. Dies war die Ursache, dass die Burschenschaft während der Monarchie zweimal aufgelöst wurde.

Nach dem ersten Weltkrieg, die Habsburger Monarchie war in ihre nationalen Bestandteile zerfallen, hatte sich die politische Lage völlig verändert. Getreu ihren Zielen verlangten die Stiren führend, an der Akademikerversammlung 1918 auf der Universität Graz, die Abdankung des Kaisers und eine republikanische Staatsform im Rahmen der deutschen 
Gesamtrepublik. Auch wirkten sie führend an einer akademischen Legion am Kärntner Abwehrkampf mit. Der politische Erfolg der Burschenschaft in diesen Jahren führte zu einer besonderen Blüte. 

Im dritten Reich wurden die Burschenschaften, so auch die Stiria, verboten und aufgelöst. Nach dem schrecklichen Ende des zweiten Weltkrieges erkannte man, dass gerade der alte Wunsch  nach einem einigen Deutschland die Verführbarkeit zahlreicher Burschenschafter begründete. Der Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich wurde in unseren Reihen – wie in breiten Teilen der österreichischen Gesellschaft  -   weitestgehend begrüßt und ließ viele Stiren das wahre Gesicht des NS-Regimes viel zu spät erkennen. In den ersten Nachkriegsjahren kehrten zahlreiche Bundesbrüder aus dem Krieg zurück. Mit dem Wiederaufleben der Bildungseinrichtungen und dem Beginn gesellschaftlichen Lebens fanden sich auch bald wieder junge Menschen, die Freundschaft, fröhliches Studentenleben aber auch die Mut- und Charakterprobe des Schlägerfechtens, anzogen. An einen staatlichen Zusammenschluss zwischen Österreich und Deutschland dachte niemand mehr. Man setzte sich vielmehr für die berechtigten Rechte aller Teile des deutschen Volkstums ein.  (Fußnote 1) 

Die Situation an den Universitäten hatte sich zwischenzeitlich durch eine Bildungsexplosion völlig verändert.  Das schnelle Erreichen eines Diploms, um einen gutbezahlten Job erhalten zu können, stand im Vordergrund. Die Individualität und der Idealismus drohten unter die Räder zu kommen.

Heute ist von den gehaltlosen, neuen Strömungen in der Studentenschaft, wie die 68-er Bewegung, nichts mehr übrig geblieben. Die „alte“ Burschenschaft, mit ihrer demokratischen Grundeinstellung, der Individualität und dem Idealismus, ist wieder eine äußerst moderne Bewegung geworden.

Die massive Wirtschaftskrise 2008/2009 hat deutlich gezeigt, dass die Überbetonung des Materiellen nicht zielführend sein kann. Die demokratische und idealistische Grundhaltung der Burschenschaft und damit auch die Abkehr von einem Materialismus, der die Erzeugung, den Verbrauch und die Zerstörung materieller Güter betont, wird sich durchsetzen müssen. 

Die Zielsetzung der Burschenschaft Stiria, wie 1861 festgelegt, war nie materiell betont, sondern immer idealistisch.

 

Fußnote 1:

Im Zuge einer Podiumsdiskussion wurden wir von Herrn Dr. Weidinger vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes auf die Tatsache hingewiesen, dass der ursprünglich zu diesem Thema formulierteText berechtigten Anlass zu Fehlinterpretationen gibt. Da dies von uns gewiss nicht intendiert wurde, erfolgte eine entsprechende Korrektur, die nun in die aktuelle Version mündet.